Podcastfolge #82
Der größte Lehrer der Welt - oder wie du dich immer wieder neu erfindest
Die Geschichte von Ali startet bereits mit seinem dritten Lebensjahr mit einschneidenden Erlebnissen. Seine Eltern flohen über eine grüne Grenze aus dem Iran nach Österreich und mussten komplett neu anfangen. Was der Heranwachsende Ali Mahlodji für Erlebnisse machte, prägte sein Erleben und somit sein unternehmerisches Tun.
Heute hält der Seriengründer über 150 Keynotes weltweit, verfasste insgesamt vier Bücher, entwickelte ein eigenes Persönlichkeitsentwicklungsprogramm futureOne HEROES mit seinem Team und ist UNICEF Ehrenbeauftragter und Jugendbotschafter der Europäischen Union auf Lebenszeit.
Die Enttäuschung ist das Ende der Täuschung
Es war zwar eine schwere Zeit für den jungen Ali im Wien der 80’iger Jahre als Außenseiter, der im Flüchtlingsheim aufwuchs, aber natürlich hatte er immer auch Bezugspersonen, die ihm geholfen haben. Trotzdem, seine Eltern mussten ganz von vorn anfangen, eine neue Sprache lernen und sich mit Putzen und Flaschen einsortieren, über Wasser halten. Seinem Vater ging diese Belastung sehr nah und er verstarb früh in einer Psychiatrie.
Wenn du ganz am Boden bist, wenn keiner an dich glaubt, kannst du dich neu erfinden, und wenn du niemanden enttäuschen kannst, dann bist du frei.
Für Ali steht fest, ein Rückschlag bietet auch den Raum für eine Chance. Gerade der Erwartungsdruck von Außen motiviert ihn letztlich. Ich finde die Beschreibung von ihm während des Interviews bemerkenswert, dass dieses Gefühl, eine Talsohle erreicht zu haben und ganz unten zu sein, diese Melancholie über das Scheitern in ihm immer wieder auch eine Motivation auslöste. Was ihm ebenfalls hilft, ist, den Blickwinkel nicht zu verlieren und immer wieder auch rauszuzoomen. Stell dir vor, du wärst vor 100 Jahren geboren? Welche Herausforderungen hättest du dann wohl gehabt?
Vor der Gründung seiner jetzigen Unternehmung war wieder so ein Punkt erreicht. Seine Frau war schwanger mit dem ersten Kind der beiden, und die finanzielle Situation war wackelig. Er saß allein am Küchenboden der neu bezogenen Wohnung und rechnete vor, wie lange das Geld für die junge Familie wohl reichen würde.
Die drei Gründe für die eigene Metamorphose
Der New Work Heroes Podcast folgt den vier Schritten der Held:innenreise und nach dem Blick in den Abgrund (Teil 1: Abyssos) geht es nun an den Wandel (Teil 2: Metamorphose). Mit den so gewonnen neuen Kräften und Fähigkeiten werden große Herausforderungen bestanden, der Endboss besiegt (Teil 3: Agon), um danach alles im finalen Schritt zu vereinen und Meister:in zwei Welten zu werden (Teil 4: Lysis). Hier bietet Ali in allen vier Bereichen seiner Heldenreise vielfältige Beispiele und geht unentwegt seinen eigenen Weg. Denn für Ali steht fest, es muss sich etwas ändern für die Jugend von heute. Es braucht mehr positive Beispiele mit einer Ansprache, die sie verstehen und die sie inspiriert. Bei einem Gespräch mit Freunden formuliert Ali diese Vision so:
“Und plötzlich habe ich herausgeschrien: Ich will der größte Lehrer der Welt sein. Ich will Kinder auf die Zukunft vorbereiten und Erwachsene erklären, wie sie mit dieser Welt umzugehen haben, damit sie kindgerecht ist. Und das isses! Da möchte ich hin!”
Als Ali sich als junger Erwachsener mit über 40 Jobs durch die Berufswelt arbeitet und in sich in kurzer Zeit vom Toilettenputzen bis Unternehmen einen mehr als inkonsistenten Lebenslauf für die Personalabteilungen dieser Welt aufbaut, fällt ihm im Karriereteil der österreichischen Tageszeitung Der Standard immer wieder auf, dass die Jobbeschreibungen völlig an seiner Lebensrealität vorbeigehen. Das Personalersprech mit verklausulierten Beschreibungen holt ihn nicht ab, im Gegenteil macht es ihn eher wütend. Die Folge war letztlich die Gründung von whatchado, einer Videoplattform für Berufe, die bis heute von Künstlern und Handwerkern auch die Berufsbilder der ganz großen Konzerne auf anschauliche Weise erklärt und Tausenden Berufsanfänger:innen hilft. Dieser Antrieb für Gründungen kommt nach Ali’s Erfahrung aus drei Richtungen:
- Du bist wütend über den Status quo und entwickelst dadurch die Energie, etwas zu ändern
- Du hast dich so in eine Idee für die Veränderung zum guten verliebt, dass du diese unbedingt umsetzen willst
- Du fliegst Hals über Kopf raus, wo du gerade stehst und bist gezwungen, etwas ganz anderes zu machen
Heute folgt Ali diesem tiefen Wunsch, andere Menschen groß zu machen und ihnen die Inspiration zu geben, die ihr Leben verändern kann. Und natürlich hat Ali gleich alle drei der genannten Gründe für die eigene Metamorphose durchlebt und sich immer wieder neu erfunden. Nachdem er durch Unstimmigkeiten whatchado verließ, baute sich Ali sein eigenes Geschäft als Speaker und Autor auf und hat mehr Erfolg als je zuvor. Ein Höhepunkt war für ihn die Begegnung mit der Verhaltensforscherin Jane Goodall, die ihn zu einer Veranstaltung einlud und sehr gut über Ali’s Leben Bescheid wusste, ihm sogar einen handgeschriebenen Brief überreichte.
Weisheit ist, wo das Wissen nicht hinkommt
Was mich am meisten beeindruckt, ist diese authentische und mitreißende Neugier von Ali, wenn er mit einem oder zu einem spricht. Ich fühle mich gesehen und verstanden und das weckt in mir selbst den Wunsch, meinen eigenen Weg zu gehen. Und eine Idee, wie das geht, gibt Ali mit seinem Lebensweg und wenn er darüber spricht.
Weisheit ist das, wo Wissen nicht hinkommt. Da helfen keine Tipps, sondern nur jeden Tag das Beste zu geben in dem Glauben, das Leben wird schon einen Plan haben mit mir. Ich versuche durch mein Tun herauszufinden, was zum Henker es vor hat. Für was bin ich ein Werkzeug?
Mir gefällt der Impuls, den eigenen Sinn im Leben durch Tun zu entdecken. Denn erst in der Resonanz mit der Welt finden wir heraus, was wir wirklich wollen. Auch der Glaube daran, dass es einen Platz für das gibt, was wir für uns als Lebensziel herausarbeiten, ist ermutigend. Für mich als gelernten Raumausstatter ist klar, ein Werkzeug will genutzt werden und der Maker in mir sucht nach Meisterschaft. Die Konsequenz: ein stetes Feilen und Nutzen des Werkzeugkoffers des eigenen Lebens.
Wer so verbunden mit seinen Kompetenzen und Interessen lebt und sich immer wieder neu erfindet, hat die besten Chancen auf ein bestmögliches Leben. Ich bin überzeugt, es wird bald den Campus geben, von dem Ali spricht, einem Ort für Schulschwänzer und Schulabbrecher, aus dem die Unternehmer:innen und Changemaker hervorgehen, die unsere Welt heute braucht.