Podcast Folge #65

Mit offenem Herzen die Bildung und Integration verändern

Mit der Gründung der ReDI School of Integration im Jahr 2015 treibt die Socialpreneurin Anne Kjær Bathel die digitale Bildung von Geflüchteten voran und bereitet sie auf den deutschen Arbeitsmarkt vor. Daran wachsen nicht nur die Studierenden, auch Anne lernt stetig dazu. Im Interview teilt sie ihre Geschichte und verrät Tipps für Gründer:innen.

 

Schon früh zeichnete sich eine klare Richtung bei Anne ab – denn bereits im jungen Alter war sie erst dann zufrieden, wenn alle Kinder am Spiel beteiligt waren. Zu Schulzeiten organisierte sie schon erste eigene Projekte. Mit dem selben Spirit nimmt sie sich nun als Erwachsene zweier gesellschaftlicher Herausforderungen an: Integration und Bildung. Mit der ReDI School of Digital Integration entwickelte sie mit ihrem Team ein Ausbildungsprogramm, das Geflüchteten Programmier- und Technologiekompetenzen vermittelt und ihnen so den Einstieg in die deutsche Gesellschaft und Berufswelt erleichtert.

Die gebürtige Dänin kennt einen Teil der Hürden, mit denen ihre Studierenden kämpfen, aus eigener Erfahrung. Als sie nach Deutschland zog, zweifelte sie anfangs daran, ob sie als Einwanderin überhaupt in der Lage sei, sich im deutschen Bürokratie-Dschungel zurecht zu finden. Das richtige Amt oder Formular ermitteln, alles korrekt und fristgerecht ausfüllen – und das bei einem Behördensprech, der selbst für Muttersprachler oft kaum zu verstehen ist.

„Es macht mich wahnsinnig, wenn ich sehe, dass Bürokratie der Wirkung im Weg steht,“ verrät Anne.

Das bezieht sie nicht nur auf ihre eigene Arbeit mit der ReDI School, sondern vor allem auf die Erfahrungen, die ihre Studierenden machen. Ein Beispiel ist die Geschichte zweier Brüder mit der gleichen Hintergrundgeschichte, dem gleichen Asylantrag. Der erste erhielt nach sechs Monaten seinen Aufenthaltstitel, der nächste wartete zwei Jahre nach Antragstellung noch immer. Der Grund: Zwei mögliche Schreibweisen des aus dem Arabischen übersetzten Nachnamens. So landeten die Brüder in zwei Bearbeitungsstapeln.

Dennoch sei es der Mut der Studierenden, der auch Anne immer wieder ansporne, sich und das Programm weiterzuentwickeln.

 

Ein brodelnder Ideenvulkan

An Ideen dafür mangelt es ihr jedenfalls nicht. Anne wuchs in Norwegen auf – in einem Schulsystem, das Kinder bereits früh Soft Skills wie lösungsorientiertes Denken und Management lehrt. Hier wurde also der Grundstein für ihren Werdegang als Entrepreneurin gelegt. Immer neue Projekte, die im Laufe der Zeit wuchsen. Immer neue Ideen, die sie in die Tat umsetzte.

Allerdings sorgt die 38-Jährige auch für einen stetigen Inspirationsnachschub. Wenn sie nicht arbeitet, lauscht sie Podcasts, schaut TedTalks oder tauscht sich mit ihrem Netzwerk aus. Durch diese Impulse gehen Anne die Ideen nie aus. Welche sie verfolgt? Darüber entscheidet ihr Bauchgefühl. Gedanken, die sofortigen Tatendrang und einen Energieschub auslösen, sind es wert diskutiert zu werden. Und das tut sie dann auch. Heute überlegt die Wahl-Berlinerin zum Beispiel, ob und wie sie ihr Engagement für die Umwelt ausbauen kann.

 

Man wächst mit seinen Aufgaben

Auf die Frage, in welcher Hinsicht sie in den letzten Jahren den größten Wandel vollzogen habe, verrät Anne zögernd: „Wo ich mich als Führungskraft am meisten weiterentwickeln musste, sind Mitarbeiterfragen.“ Besonders: Wie trennt man sich von eigentlich guten Angestellten, mit denen die Zusammenarbeit einfach nicht klappt? „Für mich ist das das absolut schwierigste. Hier versuche ich immer noch, mich schlau zu machen, um menschlicher und transparenter solche Gespräche zu führen.“ Das komme heute aber nicht mehr so oft vor, da sie inzwischen ein stabiles, gut eingespieltes Team um sich habe.

Aber auch eine Frau wie Anne gerät hier und da an einen Punkt, an dem sie alleine nicht weiter kommt. Dann greift sie gerne auf ihr Netzwerk zurück. Denn trotz großer Verantwortung nimmt sie sich die Zeit, neue Menschen kennenzulernen und zu unterstützen. Das macht sie aus Überzeugung. Und ihr ist bewusst, wer viel gibt, darf auch viel fragen.

Der Moment, der ihr als besonderer Erfolg im Gedächtnis blieb, sei die Anfrage der Stadt München gewesen. Dort wollte man einen weiteren Standort der ReDI School aufbauen. Die Unterstützung der Kommune sei für sie der Proof of Concept gewesen, dass auch der Staat ein Interesse an dem Programm habe.

Anne Kjær Bathels Tipps für Macher:innen

Eigentlich wollte sie nie Gründerin werden oder sein. Ihr Wunsch war es dennoch, sich in einem eigenen Projekt zu verwirklichen. Nach sechs Jahren ist sie um einige Erkenntnisse reicher, die sie mit uns teilt.

Anne Kjær Bathels Tipps
1. AUF DIE AUSWAHL DER MITARBEITENDEN ACHTEN

Anne beschäftigt inzwischen 51 feste Mitarbeiter:innen und etwa 900 Freiwillige an den deutschen Standorten der ReDI School. Während sie das Führen von Teams erst lernen musste, wusste sie von Beginn an um die Wichtigkeit der Team-Struktur: „Ich muss nicht alles können. Aber ich muss gut verstehen, was ich nicht kann und dann Menschen ins Team holen, die diese Fertigkeiten mitbringen.“ Die passende Unterstützung zu finden, fiele ihr nicht immer leicht, sei aber ausschlaggebend für den Erfolg. Denn „insbesondere am Anfang sucht man in einem Startup immer nach seinem eigenen Weg und der richtigen Kultur. Da sind die ersten Mitarbeiter:innen extrem wichtig, weil sie die Kultur nach Außen tragen.“

Anne teilte zudem eine Weisheit ihres Arbeitsalltags mit mir – und nun auch mit dir. Frage dich bei jedem Recruiting-Prozess: Könnte ich mir vorstellen diese Person während einer langen Flugreise neben mir sitzen zu haben? Lautet die Antwort „nein“, wird der Mensch nicht eingestellt.

2. EXPERIMENTIEREN

Die stetige Neugier, mir der Anne neue Projekte und Themen angeht, zeigt sich auch in der Arbeitsweise der ReDI School. 

„Wir wollen sozial innovativ sein, dann müssen wir auch Experimente machen. Nicht um zu scheitern, aber um zu lernen. Experimentieren ist einfach ein wichtiger Teil von Bildung.“ 

Auch in der Kommunikation mit Angestellten und Studierenden legt sie Wert auf das Ausprobieren neuer Möglichkeiten. Ihre wichtigste Kompetenz in Leadership-Fragen sei das Zeichnen. Durch das Zeichnen am Whiteboard ließe sich ein universelleres Bild schaffen als durch Worte – und so entstehe ein stärkeres Verständnis und ein höheres Maß an Neugier. „Wir haben alle ein inneres Kind, das gepflegt werden muss. Zeichnen ist deshalb nicht nur für Kinder, sondern eine gute Möglichkeit, komplexe Sachverhalte vereinfacht darzustellen und Fakten zu erinnern,“  sagt sie.

3. AUF SICH ACHT GEBEN

Wer viel Verantwortung trägt, kann oft nur schwer abschalten. Auch Anne geht das so. Das Problem daran: Wer nicht abschaltet, hat keine Energie, wirklich etwas zu bewirken. Deshalb suchte sie sich vor einiger Zeit professionelle Unterstützung. Zwar merkte sie schnell, dass eine klassische Gesprächstherapie nichts für sie ist, aber die Arbeit mit ihrem Körper ihr gut tut: „Ich bin nicht nur ein Kopf, den mein Körper herumträgt. Ich bin ein holistischer Mensch und muss auch an meinen Körper denken.“ 

Dazu gehört es natürlich auch, die eigenen Grenzen wahrzunehmen und zu respektieren. Deshalb appelliert sie an andere Gründer:innen und dem Wunsch, „die Startup-Szene würde mehr darüber sprechen, wie wir auf uns selbst und auf einander aufpassen können – und dass es nicht cool ist, 15 Stunden am Tag zu arbeiten.“ Ihre eigene Energie zu schützen, das sei eine Baustelle, an der sie noch arbeiten müsse. Denn wer so viel durch die Arbeit zurückbekomme, der gerate schnell in einen Flow und vergesse darüber die Zeit.

„Ich wollte immer etwas schaffen und Wirkung in der Welt haben,“ gesteht Anne. Mit der ReDI School of Integration ist ihr das auf jeden Fall gelungen, denn der Großteil ihrer über 5000 Absolvent:innen und Studierenden hat den Sprung in den Arbeitsmarkt erfolgreich gemeistert. Die New Work Heroes unterstützen mit den Limited Edition Spruchkarten die ReDI School mit 10 € pro verkauftem Exemplar. Macht mit!

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