Podcast Folge #19

Thirtysomething Jobs und 2 Bücher später: Karrierecheck mit Autorin Jannike Stöhr

Was anderen wie ein Makel im Lebenslauf vorkommt, war für Jannike Stöhr Ausgangspunkt eines großen Karrierewandels. Innerhalb von 50 Wochen testete sie 30 Berufe und verließ so den sicheren Hafen der eigenen Konzernkarriere bei VW. Heute ist sie Autorin zweier Bücher, selbständig und erfolgreich als Berufsberaterin und Coachin unterwegs. Wie das kam, findet ihr im Interview und in diesem Artikel.

Wie entscheidet man sich aus einem stabilen Job heraus plötzlich für einen kompletten Umschwung? Für Jannike war die Unzufriedenheit nicht plötzlich. Mit der Krankheit ihres Vaters kamen dann die existenziellen Fragen dazu:

“Wenn ich so weitermache wie jetzt, und ich werde dann krank und sterbe vielleicht auch, was sage ich dann im Rückblick auf mein Leben. Mein Gefühl: so will ich nicht drauf zurück gucken.”

Sie begann ihr Gehalt neu zu verhandeln und sich für einen Job im Ausland, Peking, zu bewerben. Auch nach einem Jahr dort war klar: das ist es nicht.

“Von außen betrachtet war alles super, innerlich habe ich mich ganz anders gefühlt. Dann bin ich den Jakobsweg gepilgert. Das war auch so ein verzweifelter Versuch Zufriedenheit zu finden. Da habe ich auch gemerkt, ich kann zufrieden sein mit dem was ich in meinen Rucksack habe. Ich hing vorher sehr an meinem Lebenstandard.”

Vom Jakobsweg zur eigenen Unternehmensidee ist es aber auch noch ein langer Weg. Jannike hat als Kopfmensch immer über den nächstmöglichen Schritt nachgedacht. Ein Leben ohne VW war kaum denkbar und ein großes Risiko. So dachte sie jedenfalls:

“Und dann habe ich von einem Bekannten gehört, der einfach ohne einen Plan zu haben VW verlassen hat. Da dachte ich dann, ja krass. Du brauchst ja gar keinen Plan. Du kannst auch einfach so gehen.”

“Ich habe es einfach nicht für möglich gehalten, dass ich außerhalb von Volkswagen überleben könnte. Dann habe ich gemerkt, es gibt noch 80 Mio. andere Deutsche, die nicht bei VW arbeiten. Die schaffen das doch auch.”

Mit diesem Mindsetchange setzte auch die Trennung von VW ein: sie ließ sich für mehrere Jahre freistellen und begab sich auf die Suche nach einem neuen Plan.

Wie kam der Wandel und was hat dir geholfen den Zweifel zu überwinden?

Als Angestellte ging sie die typischen Wege: sie fragte nach einer Gehaltserhöhung, ging für ein Jahr nach Peking und hoffte immer wieder, dass sich endlich diese Zufriedenheit einstellen würde.

“Dann habe ich mich beworben auf einen Job im Ausland, habe viele Ratgeber gelesen, Berufsberatungen selber mitgemacht, Dankbarkeitstagebücher geführt, Sportarten und Ehrenämter ausprobiert. Einen Garten angelegt, in grünen Smoothies die Erleuchtung gesucht. Alles Mögliche. Das war aber nicht die Lösung für die Unzufriedenheit damals.”

Wie lief dann das Jobtesting-Experiment?

Jobtesting ist vermutlich etwas, dass du noch nicht gemacht hast oder vielleicht als eine Idee schon einmal in deinem Kopf war. Jannike ging gleich radikal vor und nahm sich 30 Berufe in 50 Wochen vor. Wie genau plant man sowas eigentlich?

“Ich habe mir eine Liste angelegt und mir fielen 13 Berufe ein. Dann ging mir die Fantasie aus. Dann habe ich überlegt, was ich als Kind werden wollte. Von Erzieherin, Winzerin, Tischlerin, Fotografin oder Verkäuferin, alles stand auf dieser Liste. Dann habe ich 1-2 Monate im Voraus geplant, so 4-6 Jobs. Und so entwickelte sich das Experiment.”

Als Stadtführerin, Biobäuerin und Lehrerin arbeitete sie durch ihr Netzwerk sehr schnell. Alle anderen brauchten auch mal etwas Überzeugungsarbeit. Aber keiner der Arbeitgeber stand dem Experiment im Weg.

“Sehr überzeugen musste ich eine Pastorin. Da musste ich wirklich lange drum werben. Die waren aber dann auch sehr zufrieden mit dem Experiment.”

“Erzieherin war das erste, das war richtig taff und das habe ich so nicht erwartet. Mit Kindern spielen, dachte ich, kriege ich noch hin. Und bin gleich danach direkt krank geworden. Das alles hätte ich aber auch nicht gewusst, wenn ich nicht hingegangen wäre.”

Was hat sie aus dem Experiment mitgenommen?

Wer sich mit seinen Leidenschaften auseinander setzen will, sollte Menschen begleiten, die leidenschaftlich im Job sind. Das jedenfalls hat Jannike unglaublich in diesem Experiment geholfen. Sie lernte, außerhalb eines Konzerns und vorgegebenen Karriereschritten, was es heißt an der eigenen Lebensqualität zu arbeiten und diese beeinflussen zu können. Dass Dinge im “flow” sind und sich leicht anfühlen, während sich andere anstrengend anfühlen, macht für sie heute oft den Unterschied zwischen richtig und falsch aus. Dinge, die gut für einen sind, müssen auch leicht laufen. Und je mehr man macht und ausprobiert, umso mehr Feedback bekommt man. Da kann man sich dann viel besser von alten Sachen lösen.

“Als ich VW verlassen habe, startete ich das Experiment und dann habe ich mich erst später selbständig gemacht. Das war ein großer Wandel. Das hätte ich mir früher nicht zugetraut.”

Was sind deine inneren Endgegner?

Wer Jannike zuhört und liest, merkt sofort, hier ist ein Kopfmensch am Planen. Das sie aber nicht immer nur rational handelt, sondern emotional, erkannte sie früh und nutzt jetzt dieses Wissen um sich neu zu reflektieren:

“Ich bin extrem trotzig. Wenn mir jemand sagt, das geht nicht, möchte ich das gerade deswegen machen. Das hat manchmal zur Folge, dass ich Dinge, die mir gesagt werden, aus Trotz nicht mache. Obwohl ich pauschal gar nicht dagegen bin. Da muss ich eine Balance finden und schnell genug merken: das ist jetzt gerade nur Trotz. Aber wie stehe ich wirklich dazu?”

Bei komplexen Projekten, die viele Ressourcen fordern, ist sie ebenso mit Ablehnung konfrontiert. Egal wie leidenschaftlich man seinen Job macht. Ihre jetzigen Stärken liegen eindeutig in der Bereitschaft, sich mit diesen Problemen aktiv auseinander zu setzen und diese auch mit Coachings anzugehen.

“Ich glaube, Ablehnung und Scheitern sind nur Möglichkeiten sich zu hinterfragen: will ich das wirklich? Wenn nicht, sein lassen! Und wenn ja, war es der richtige Zeitpunkt und die richtige Zielgruppe?”

Was tust du um bevorstehende Kämpfe zu meistern?

Vom handschriftlichen Plan bis hin zur eigenen Coaching-Ausbildung mit seinen Learnings, Jannike benutzt einfache Tools und Methoden, die sie im Laufe der Zeit gelernt hat, wenn sie sie benötigt und lernt neue dazu, wenn etwas fehlen sollte.