Podcast Folge #27

Be water my friend- der ehrliche Karrierecheck mit Thomas Hartwig von Leogant

Mit Thomas Hartwig habe ich ein intensives, lehrreiches und unheimlich inspirierendes Interview geführt, das in seiner Gänze zu den Highlights meiner Podcastkarriere gehört. Erfrischend wie ein Schluck aus seinen vergoldeten Filteranlagen reden wir über Schulabbrüche, late callings und den Widrigkeiten einer nach Perfektion strebenden Führungskraft.

Eine Schullaufbahn ohne Bilderbuch

Als gelernten Mediendesigner könnte man Thomas Hartwig beschreiben und als Gründer. Leider bleiben dann die elementarsten Stationen seines Lebens-und Lernweges auf der Strecke.

Mehrmalige Schulabbrüche und die Hauptschule in Bayern ließen nicht viel Hoffnung auf eine erfolgreiche Karriere. Wie löst man sich von diesem Weg? Für Thomas gab es eine einfache Antwort: die Gastronomie. Mit knapp 18 Jahren beginnt er eine Reise durch die Bars und Kneipenkultur Deutschlands, arbeitet 16 Jahre auf dem Oktoberfest und fühlt sich endlich, außerhalb der schulischen Verpflichtungen, richtig angekommen. Die Liebe zu qualitativ hochwertigen Spirituosen, das Gespräch mit den Gästen, all das fällt ihm viel leichter und birgt mehr Wertschätzung als die ungeliebte Schule.

Ein Leben hinter der Bar, mit viel Trinkgeld und langen Nächten wird für viele Jahre sein Steckenpferd. Als er 24 wird, wendet sich das Blatt. Er pausiert seine regelmäßigen Barschichten und finanziert sich durch das Oktoberfest doch noch sein Abitur. Irgendwas muss da noch kommen. Was nun begann, ist für ihn rückblickend immer noch der größte wake-up call, den er sich jemals vorstellen konnte. Er fällt durch. Das Abitur, das ihn soviel Arbeit und Geld gekostet hat, wird ein großer Misserfolg: eine Sechs in Chemie, zwei Fünfen in Mathe und Physik und eine anstehende Nachprüfung, die er mit Eins bestehen muss.

Doch dann das Unfassbare. Er beginnt eine Woche lang zu lernen. Setzt sich das erste Mal hin und merkt wie halbherzig er sonst die Dinge angegangen ist. Was für viele wie eine Unmöglichkeit klingt, wird wahr. Die Nachprüfung besteht er mit einer glatten Eins. Sein spätes Einser-Abitur wird für ihn nicht nur ein Zeugnis sein, sie legt den Grundstein für die grundlegende Beschäftigung mit Naturwissenschaften. Heisenberg und Quantenphysik mit Mitte 20? Yes, please.

2006. Eine Reise nach China

Thomas beglückwünscht sich zu diesem riesigen Erfolg mit einem lang gehegten Wunsch. Er bereist China und trainiert in einer kleinen, privaten Kampfkunstschule in den Wudang-Bergen. Dabei begleitet ihn immer das Geschenk eines Freundes, ein kleines, unscheinbares Buch „Sei sanft und kraftvoll wie das Wasser - Der Weg des Kampfkünstlers“. Er taucht tief in das Kung-Fu Training ab, eine Leidenschaft, die er noch heute betreibt. Das Training schlaucht, die Disziplin dieses durchzuziehen, merkt man ihm heute an.

“Die zusätzlichen 10 Kicks, ich mache sie für keinen anderen. Wenn ich damals die mentale Stärke von heute gehabt hätte, hätte ich ganz andere Ergebnisse erreichen können.”

Die Kündigung

Zurück in Deutschland arbeitet Thomas wieder hinter der Bar, lebt von der Gastronomie und wird Teil eines neuen Barkonzepts mit Kollegen. Dann der Faustschlag: er wird entlassen. Pläne sind durchkreuzt und Türen verschließen sich. Statt sich sofort einen neuen Job zu suchen, lässt er sich Zeit. Lebt von wenig Hartz4, besucht tagtäglich und für Stunden die Kung-Fu Schule. Sein Trainer nutzt einen Wasserfilter, auf den er nun ständig zugreift. Sein Verhalten zum Element Wasser ändert sich in dieser Zeit massiv: anstelle von dem wenigen Geld knapp zu leben, entscheidet er sich monatlich für das teurere Quellwasser. Die Heilpraktikerausbildung folgt und lässt ihn einen neuen Weg einschlagen.

Auf der Suche nach dem Wasserfilter

Was wie eine seltsame Anekdote klingt, wird immer mehr zu einer Leidenschaft. Thomas befindet sich nun offiziell auf die Suche nach dem perfekten Wasserfilter und lässt nicht locker. Eine Branche, die von zwielichtigen Vertriebsleuten geführt wird und mit Firmen, die ihre Produkte oftmals selbst nicht verstehen, weckt in ihm den Unternehmergeist. Geht das nicht anders und vor allem: besser? Was man hier nicht unterschätzen darf, ist die beharrliche Kompromisslosigkeit mit der er präzise und perfekte Arbeit verlangt. Heutige Lieferanten können ein Lied davon singen. Thomas möchte das Maximale erreichen. Aber was nicht auf dem Markt ist, lässt sich nun einmal nicht finden. Die Konsequenz also: die Suche nach dem Wasserfilter entwickelt sich nun zu einer nervenaufreibenden Produktentwicklung.

Wie alles zusammen kommt

Plötzlich fügt sich alles: das Interesse an der Physik, die Beschäftigung mit dem Kung-Fu, die angefangene Heilpraktikerausbildung, der Wunsch nach bestem Service hinter dem Tresen. Leogant wird gegründet. Aus Leitungswasser Quellwasserqualität herzustellen und sich dem Plastikverbrauch und günstigen Alternativen zu stellen, braucht Mut. Aber: leidenschaftlicher als Thomas über Wasser zu reden ist unmöglich, soviel sei an dieser Stelle einmal gesagt.

“Ich bin kein Verkäufer. Habe ich nie gelernt. Ich mache Dinge, die mich berühren. Und wenn es mich nicht mehr berührt hat, bin ich gegangen. Deshalb habe ich auch mal ein Unternehmen nach einem Monat verlassen.”

Ein Unternehmen führen und loslassen lernen

Plötzlich ist da wieder diese Leidenschaft. Dieses echte Gefühl für ein Produkt hinter dem er als Unternehmer stehen kann. Wenn Kunden Thomas sagen, dass der Filter ihr Leben bereichert hat, dann ist es seine stärkste Triebkraft. Zu Leogant kommen nur Leute, die zu ihm passen.

“Man kann Leogant auch nicht nachmachen, weil meine Detailliebe, meine Geschichte und meine Hingabe lässt sich nicht kopieren. Alles was ich mache ist echt.”

Mit der Leidenschaft kommt auch die Verantwortung: Kunden sehen seine Vision und teilen diese. Ein hochpreisiges Produkt wird angenommen und verkauft sich. Und zwar so gut, dass neues Personal her muss. Ein Showroom. Ein Büro. Was klingt wie eine selbstverständliche Entwicklung ist einer der größten Verpflichtungen seines Lebens. Diese einzugehen heißt auch sich zu fragen: Glaube ich wirklich an das, was ich tue?

Auch als Führungskraft stellen sich plötzlich neue Herausforderungen: wie bringt man Angestellten eigentlich die Leidenschaft mit, die einen soviele Jahre nun schon begleitet? Wie lässt man Prozesse los und entwickelt sich von der stets verfügbaren Fachkraft zur unterstützenden Führungskraft?

Leogant & New Work

“If you wanna move fast move alone, if you wanna move far move together”. Bei Leogant wird größer gedacht. Nur wer sich ethisch, ehrlich und sauber verhält, kann die Gesellschaft verändern. Unternehmer sein und moralisch integer? Schliesst sich für Thomas niemals aus, im Gegenteil. New Work und Wachstum der eigenen Mitarbeiter*innen steht im Zentrum der inneren Arbeit von Leogant. Die Evolution des Unternehmens findet gemeinsam statt.

Der Endgegner

Der größte Endgegner von Thomas ist einer, den viele kennen: die letzte Woche des Monats. Nach zehn Jahren Unternehmertum wurde noch nie eine Rechnung vergessen. Trotzdem bleibt diese innere Stimme. Die Angst den viele Unternehmer*innen kennen. Thomas stellte sich dann irgendwann einmal vor den Spiegel und fragte sich selbst: „Wann hörst du auf damit?“ Die inneren Stimmen anzusprechen und direkt anzugehen, hat zu einem besseren Umgang mit Geldsorgen geführt.

“Wenn du eine Aufgabe hast, die größer ist als du, dann geht dir die Energie nicht aus.”