Podcastfolge #38

Improve your Coronability - virtuelles Vertrauen für Teams

Diese Krise hat uns verwundet. Nicht nur äußerlich. Sondern innerlich. Die Arbeit, wie wir sie kennen, ist vorbei. Unser vormals harmonisches „etwas wird sich verändern“ ist in der Gegenwart angekommen. Mit einem Tempo, das jegliche Bequemlichkeit unmöglich macht und uns leider auch kaum eine Wahl lässt, welchen Weg wir einschlagen wollen. Wir müssen.

Zwischen Remote Work, Distancing und Maskenpflicht finden sich Teams in einer neuen Normalität wieder. Die Fähigkeit von Teams Konflikte und Krisen zu meistern und neue Formen der Zusammenarbeit zu entwickeln, das ist Coronability.

Das gebrochene Vertrauen

Eines der wichtigsten Merkmale von High-Performance Teams ist das hohe Maß an Intimität und Vertrauen zwischen diesen Teammitgliedern. Sie kennen sich und ihre Schwächen und Stärken, auf professioneller wie emotionaler Ebene. Außerhalb des stringenten Lebenslaufes gibt es ein Dutzend Eigenschaften deines Gegenübers, die ihn oder sie formen.

Diese Transparenz führt immer wieder zu effektiven Entscheidungsprozessen, denn wer Emotionen zeigt und sich verletzbar macht, baut eine unglaubliche Kraft auf. Scheitern und Erfolge werden gemeinsam gemeistert und gefeiert. Zahlen und KPIs, die eigentlichen Gradmesser für Leistung, geraten im Zuge dieser Intimität in den Hintergrund: die gemeinsame Leidenschaft führt zu einer Transparenz, die sich auch auf den virtuellen Raum übertragen lässt. Denn wo Interaktion in Echtzeit nicht möglich zu sein scheint, wird sie imitiert. Denken wir mal an den wichtigen Augenkontakt oder die Körpersprache während eines Meetings: kleine Aspekte des Vertrauens zeigen unsere ständige Suche nach Verbindung, zwischenmenschlicher Kommunikation und Zeit miteinander.

Nicht jedes Team ist diese Zusammenarbeit gewohnt. Und darum soll es heute auch gehen: wie rücken wir die Challenges, die Remote Work mit sich bringt in ein ganz anderes Licht? Welche Hacks können wir erlernen um auch den virtuellen Raum mit echten Menschen zu beleben? Wie können wir vertrauensvolle Umgebungen schaffen um uns auf diese völlig neuartigen Szenarien einzustellen?

The ultimate Remote Work Tool Guide 

Es gibt verschiedenste Softwaretools, Portale und Services die die Zusammenarbeit erleichtern

1. CONFERENCING TOOLS
Wir wollen uns sehen, hören, den Bildschirm teilen und vielleicht auch in Breakout Rooms zusammen arbeiten. Das alles können Conferencing Tools. Eine Auswahl von Anbietern:

  • ZOOM
  • Microsoft Teams
  • Whereby (ehem. Appear.in)
  • Cisco Webex
  • Demodesk
2. CHAT TOOLS
Manchmal braucht es einen schnellen Link oder den Hinweis zu einem Dokument. Chat Tools funktionieren Zeitversetzt, Antworten können auch später kommen. Eine Auswahl an Anbietern:

  • Slack
  • Microsoft Teams
  • Discord
  • Whatsapp
3. VISUAL WORKTOOLS
Die Freiheit auf einer großen Whiteboard- Flipchartähnlichen Fläche zu schreiben, zu zeichnen und virtuelle Post-its zu verteilen und das mit allen Teilnehmer*innen gleichzeitig, ist gut für kreative Workshopeinheiten:

  • Whiteboard bei Zoom
  • Figma.com
  • Mural
  • Miro
4. TEXTBASED WORKTOOLS
Wenn Gedanken in der Gruppe etwas strukturierter und fokussierter gesammelt werden sollen, zum Beispiel bei einer Retrosepektive, bieten sich textbasierte Werkzeuge an:

  • Google Docs
  • Lean Coffee Table
  • Fun Retro
  • Slack Channels
  • Microsoft Teams

Doch Vorsicht! Muster und Verhaltensweisen lassen nicht einfach mit einer großen Menge an Tools aufzulösen. Sie unterstützen Teams, aber sie definieren noch lange nicht ihre komplexe Reichweite. Remote Work Tools sollten immer in Transitionsprojekte eingebettet und ganzheitlich betrachtet und begleitet werden. Es ist nicht die Technologie die Projekte effizienter macht, sondern die Menschen die die Technologie nutzen und zusammen arbeiten. Wie der Harvard-Professor Andrew McAfee 2006 einmal treffend schrieb:

„It’s not not about Technology“

Die Schlüsselfunktionen der Technologie folgen dem Menschen und dem zugewiesenen Nutzen, niemals anders herum. Wenn wir diesen Grundsatz für Teams aufnehmen, gestehen wir uns auch ein, dass wir die Tools immer einbetten und ganzheitlich begleiten müssen. High Performance Teams sind nicht auf den Slack-Channel angewiesen, aber sie wissen ihn in den richtigen Momenten einzusetzen ohne Prozesse zu überfordern.
Die jetzige Krise zeigt es: es ist nicht die Technologie die Projekte effizienter macht, sondern die Menschen die die Technologie nutzen und zusammen arbeiten.

Die Diskussion, wie sich Arbeit durch die Digitalisierung verändern wird, hat den ersten Anstoß im Social Web 2006 genommen. New Work und Organisationsentwicklung sind seitdem in der Bedeutung für Unternehmen radikal nach vorne gerückt. Aus der jetzigen Perspektive gesprochen: wir waren der Arbeit 4.0 noch nie so nah wie jetzt.

Neues Vertrauen erschaffen – die Coronability

Coronability, also die Fähigkeit von Teams Konflikte und Krisen zu meistern und neue Formen der Zusammenarbeit zu entwickeln, lässt sich aufbauen und trainieren. Das wichtigste Stichwort aus meiner Sicht ist dabei Vertrauen.

Und es stimmt natürlich: wenn wir Emotionen und uns als verletzlich zeigen, kann das ausgenutzt werden. Wenn wir aber wiederum das Vertrauen erwidern und einen Einblick in unsere Gefühlswelt geben, entwickelt sich plötzlich wertvoller Respekt und eine Verbindung, die das Teamwork erleichtert. Auf der Führungsebene können diese Verhaltensweisen und Handlungen große Veränderungsprozesse in Gang setzen. Gemeinsames Scheitern und Erleben ist nicht nur auf Arbeitsprojekte mit Deadline beschränkt; Kaffeeküchen in aller Welt sind Orte des Austauschs und der Gemeinsamkeit.

Ein sehr passendes Schaubild für die Coronability von Teams lieferte Stanley McChrystal in seinem Werk Team of Teams. Im Zentrum steht Vertrauen und gemeinsame Werte eines Teams, die Anpassungsfähigkeit wird durch Kontextverständnis und Empowerment aller Teammitglieder bedingt. Denn nur wenn ich weiß und darf, mache ich auch mit. Auf der anderen Seite steht die Komplexität als konstante Herausforderung, die durch Geschwindigkeit und die Transparenz der Abhängigkeiten gemeistert werden kann. Sehr passend für die aktuelle Krise.

 

Hacks zur Erhöhung der Team Coronability

Wie übersetze ich aber als CEO so eine intime Kaffeeküche in den virtuellen Raum und fördere Intimität und die Beziehung zwischen meinen Angestellten? Aus meiner jahrelangen Expertise und ganz aktuell den virtuellen Chefseminaren, die ich zusammen mit meinem geschätzten Freund und Kollegen Frank Ostoff gebe, haben wir ein Manifest des virtuellen Führens entwickelt.

  • Wir erkennen an, dass sich der Führungsstil im virtuellen Raum nicht um Tools, sondern um Menschen dreht.
  • Wir bemühen uns darum, dass wir Talente unserer Mitarbeiter*innen im virtuellen Raum erkennen und fördern.
  • Wir gestalten aktiv die Grundlagen zur Beherrschung digitaler Tools und fördern die Lust darauf auszuprobieren und spielerisch zu lernen.
  • Wir respektieren die Unterschiedlichkeit unserer Mitarbeiter*innen und sorgen dafür, dass alle Stimmen gehört werden.
  • Wir wissen, dass das Beherrschen der Technik die Grundlage für Remote Work Leadership ist und gehen mit gutem Beispiel voran.

Jedes dieser Statements kann dabei in alltägliche, praktische ToDo’s übersetzt werden – die Chancen in der Umsetzung liegen tatsächlich auch in der Neuartigkeit der Umgebung: die Bequemlichkeit des Büros wurde abgeschafft, wie machen wir es uns nun gemütlich?
Die Frage “Wie gehen wir mit diesem neuen Unbehagen um?” kann Ort und Stelle für großartige, kreative Möglichkeiten sein

Die oben erwähnten ToDo’s und Lösungen sind zahlreich und lassen sich, je nach Vorliebe und Beschaffenheit des Teams, völlig anders umsetzen. Einige davon möchte ich hier einmal hervorheben. Als Scrum Master und Agile Coach für Unternehmen haben sich diese Übungen absolut bewährt. Die Mission sollte dabei immer sein, die Intimität und Beziehungsebene der Teammitglieder zu fördern: Arbeitsleistung und die Stärkung des Vertrauens untereinander stehen in einem direkten Zusammenhang. Zahlreiche Studien und Umfragen stützen diese Erkenntnis und verstärken diese sogar noch: selbst wenn andere Faktoren wie das Vertrauen in die Führungsebene mit berücksichtigt werden, bleibt das gegenseitige Vertrauen innerhalb eines Teams die eine robuste Eigenschaft für wirksames und zielführendes Arbeiten.

 

1. VERTRAUENS-CHECKINS
  • Regelmäßige Checkins zum Anfang von Meetings mit Fragen zum Wohlbefinden trainieren die Fähigkeit Emotionen komplexer auszudrücken.
  • Bsp. Was hat dich heute zum ersten Mal zum Lächeln gebracht? Was kannst du heute loslassen um ganz da zu sein?
  • Intimität braucht Zeit und Übung macht die Meister*in.
2. SICH FÜR DIE ÖFFNUNG ÖFFNEN
  • Das Interesse oder die Verwunderung für ein bestimmtes Verhalten eines Kollegen sollte offen geäußert werden.
  • Wenn dein Kollege z.B. zu verschlossen scheint, lass dich laut (und respektvoll) über den Grund nachdenken in seiner Gegenwart.
  • Das Üben offener zu sprechen, trainiert ebenfalls die Fähigkeit Emotionen komplexer auszudrücken.
3. MENTORING PROGRAMME
  • Zum Aufbau von echtem Vertrauen, solltest du nicht erwarten, dass alle deine Kollegen deine Intimitätsbedürfnisse erfüllen.
  • Pflege stattdessen die Verbindung, indem du dich aufrichtig für die Welt deiner Kollegen interessierst
  • Ein freiwilliges Mentoring Programm (Erfüllung von gemeinsamen Aufgaben im Team), kann diese natürliche Stärkung von Vertrauen erhöhen.
4. DEEP LISTENING
  • Übung zu zweit: jeder hört dem anderen 10 Minuten lang bei der Beantwortung einer Frage zu. Ohne zu unterbrechen, Fragen zu stellen oder Anteilnahme zu zeigen – außer die ungeteilte Aufmerksamkeit.
  • Dies führt zu einer Verschiebung des Schwerpunkts, der Partner kann frei heraus erzählen ohne den direkten Blick zu suchen und die Antwort abzuwarten.
  • Denn der direkte Blick kann intim sein - aber auch entmutigend, besonders für Menschen, die mit der Öffnung kämpfen. Deep Listening funktioniert prima bei Spaziergängen und auf Autofahrten, mit etwas Zeit Seite an Seite.