Podcast Folge #40

Team Coronability in action

Team-Workshops: eine Entdeckungsreise für mehr Coronability

Die Kaffeeküche ist der Innovationstreiber vieler Unternehmen: Dort führen wir sie, die kurzen, informellen Gespräche, die uns inspirieren und verbinden. Dieser Austausch ist einer der Aspekte, der eine erfolgreiche Zusammenarbeit ausmacht. Seit Beginn der Pandemie fehlt dieser Austausch schmerzlich. Ich zeige dir, wie du als Facilitator Teams unterstützt, auch in Krisenzeiten ihr volles Potential auszuschöpfen.

Ob im Home Office oder im Büro – wir wahren die sichere Distanz zu unseren Kollegen. Doch ohne gemeinsames Mittagessen, die kurze Unterhaltung an der Kaffeemaschine oder der After-Work-Veranstaltung geht nicht nur der Spaß verloren – auch das Team-Gefühl und die Produktivität sinken. Im Coaching können gemeinsam Sorgen aufgedeckt werden, der Zusammenhalt des Teams wird gestärkt und erhöht sich letztlich die Coronability des gesamten Teams.

Was ist Coronability?

Mit Coronability wird die Fähigkeit von Teams bezeichnet, in Krisenzeiten neue Verhaltensmuster zu entwickeln, sie dem veränderten Joballtag anzupassen und gemeinsam zu leben. Basierend auf einem Modell von Stanley McChrystal, setzt das Kernkonzept der Coronability vor allem auf Vertrauen und gemeinsame Werte, um im Endeffekt komplexe Abhängigkeiten in angemessener Geschwindigkeit meistern zu können.

In den letzten Wochen durfte ich dazu zwei Workshops mit sehr unterschiedlichen Kunden durchführen: einer Großstadt-Anwaltskanzlei und einem weltweit agierenden Online Marketing Start-up. Die ersteren auf der Suche nach mehr Innovationskraft, die zweiten mit vielen Fragen zu Remote Leadership. Beide stellte die Corona-Krise vor neue Herausforderungen, beide wollten sich an die veränderten (Arbeits-)Situation anpassen. Die Workshops liefen über zwei Tage, einer in Präsenz, einer Remote.

Coronability-Test: 5 Fragen der Offenbarung

So unterschiedlich die jeweiligen Gegebenheiten und Ziele der Kunden-Teams auch waren, benötigten beide zunächst das Gleiche: eine Bestandsaufnahme. Daraus ergab sich ein Workshop-Einstieg, der jedes Team mit seinen individuellen Bedürfnissen abholte. Was es dazu brauchte? Fünf Fragen auf Basis des Coronability-Modells, etwas Geduld und Feingefühl des Facilitators. Die fünf Fragen lauteten:

  • Wie fähig bin ich in meinem Unternehmen Innovationen aktiv zu gestalten?
  • Wie empfinde ich unsere Kommunikationskultur?
  • Welche neuen Chancen sehe ich am Markt?
  • Wie gut reagieren wir als Team auf die Veränderung des Marktes?
  • Was sind unsere gemeinsamen Werte und wie stärken wir das Vertrauen untereinander?

Aus diesen Fragen entstand eine lebhafte Diskussion, die für den weiteren Verlauf des Workshops ausschlaggebend war. Denn sie offenbarte die eigentliche Baustelle: In der Kanzlei zum Beispiel mangelte es nicht an Ideen, sondern an Vertrauen im Team. Aufgrund dieser Erkenntnis konnten wir uns dem Community Building annehmen, denn nach der Zeit der Distanz musste zunächst eine Zeit der Nähe folgen. Die Ideen kamen im Anschluss wie von allein.

So entfalten Workshops ihr volles Potential

Der Schlüssel zu erfolgreichen Workshops sind Facilitator oder Moderatoren mit guten Antennen, die sich auf das Team und dessen Bedürfnisse einlassen – auch wenn das eine Abweichung vom ursprünglichen Briefing bedeutet. In diesem Fall hieß es: Die Planung für den zweiten Tag komplett umwerfen und an die Wünsche des Teams anpassen. Warum? Weil die besten Ergebnisse dann entstehen, wenn die Anwesenden sich ihren Weg selbst erarbeiten. Wir stellen nur das Werkzeug dafür. 

„Wenn man mit Teams arbeitet, lässt sich nicht alles planen. Es braucht eine fluide Agenda und Anpassungsfähigkeit.“

Werkzeuge für Remote-Workshops

Diese Learnings lassen sich natürlich auch auf Remote-Workshops übertragen. Die Unterschiede zwischen Präsenz- und Remote-Sessions machen sich bei der Formatentwicklung allerdings schon bemerkbar. Werden die Termine online abgehalten, ist eine kürzere Dauer von etwa 3 Stunden pro Tag sinnvoll – längere Sitzungen überfordern Teilnehmer:innen.  

 

Die Werkzeuge, die helfen nachzuahmen, was physisch einfach möglich ist:
1. Themen-Crowdsourcing

Welche Themen beschäftigen die Anwesenden im Zusammenhang mit ihrer Arbeit? Wer Zoom nutzt, kann dafür zum Beispiel anonyme Abstimmungen durchführen.

2. Zoom Breakout Sessions

Das Team wird in kleineren Gruppen auf verschiedene Räume aufgeteilt. So entstehen völlig neue Arbeitsgemeinschaften – unabhängig von der Tätigkeit, der Hierarchieebene oder dem sozialen Kreis. Perfekt, um neue Ideen zuentwickeln.

3. World Coffee

Funktioniert ähnlich wie die Breakout Sessions. Jedem Raum wird jedoch ein konkretes Thema zugewiesen, zu dem sich die Teilnehmenden austauschen. Nach Ablauf einer festgelegten Zeit, wird rotiert. So bekommen alle die Möglichkeit, sich zu den Themen zu äußern.

Die Dynamik internationaler Teams

Wenn die Teilnehmenden aus ganz unterschiedlichen Ecken der Welt stammen und für einen Workshop zusammenkommen, hat das nicht nur Auswirkungen auf die Terminfindung. Es fließen auch ganz unterschiedliche kulturelle Hintergründe ein. Aus diesem Grund müssen auch regionale Gegebenheiten, Themen und Entwicklungen berücksichtigt werden und einen Platz finden. 

Während des Workshops erzählte ein Teilnehmer aus Chicago beispielsweise, dass alle Kolleg:innen vor Ort derzeit in Angst lebten, da aufgrund der Black Lives Matter Demonstrationen die Straßen brannten. Wer sich verwundbar zeigt, beweist Vertrauen – und das stärkt die Gruppe. Das Gefühl sich fallen lassen zu können ohne verurteilt zu werden, hilft schließlich auch dem Rest, Sorgen und Ängste nicht zu verschweigen und damit auch auf die HR zuzugehen und um Hilfe zu bitten, was die mentale Gesundheit angeht. Denn viele Unternehmen haben Angebote in diesem Bereich und arbeiten mit Experten zusammen. Während der Pandemie, habe ich einer Handvoll Kolleg:innen aus meinen Projektteams geholfen den Kontakt zu Unternehmenspsychologen zu suchen. In einem Fall habe ich sogar englischsprachige Therapeuten gegoogelt, die auf Expats spezialisiert sind. Dieses Thema ist einfach zu wichtig, als dass man als Coach und Führungskraft nur darauf hoffen sollte, dass es sich schon richten wird. Proaktivität hilft hier enorm. 

Internationale Teams besitzen zudem einen großen Vorteil: Alle können von unterschiedlichen Entwicklungsständen und Erfahrungswerten (nicht nur) der Führungskräfte profitieren. Wer hier den regen Austausch fördert, sorgt für gelebtes Wissen um Remote Leadership. 

Wie Remote Leadership gelingt

Das Online Marketing Start-up kam mit einem klaren Wunsch auf mich zu: Lernen, wie sie ihren Mitarbeitenden trotz räumlicher Trennung gute Führungspersönlichkeiten sind. Im Rahmen des Coronability-Workshops hat das Team erarbeitet, was gute Führung für sie ausmacht.

1. Motivation

Danach gefragt, welche Hacks die Moral des Teams auch ohne physische Treffen aufrecht erhalten, sammelte die erste Gruppe drei wichtige Punkte. Der erste war ein einfacher, jedoch oft unterschätzter Schritt: Bei Video-Calls sollte die Kamera immer eingeschaltet sein. Dadurch ließen sie sich weniger von Außen ablenken, fühlten sich konzentrierter und empfänden stärkeres Vertrauen zu den Kolleg:innen. 

Die Teilnehmenden wünschten sich zudem ergänzende Community-Building- Maßnahmen und eine klare Netiquette, bei der jede:r zu Wort kommt. Sie wollten ein Umfeld, das von gegenseitiger Unterstützung und persönlicher Verbindung geprägt ist. Darüber hinaus sollten Berührungspunkte geschaffen werden, um sich sowohl vertrauensvoll und persönlich, als auch anonym über die mentale Gesundheit und Zufriedenheit mit den Angestellten austauschen zu können.

2. Messbarkeit

Bei der Frage wie Meilensteine gemessen und Fortschritte kommuniziert werden sollten, war für Gruppe zwei vor allem die Berücksichtigung der verschiedenen Produktivitätstypen von großer Bedeutung. Gelingen kann das mit dem sogenannten DISC-Modell (deutsch: DISG-Modell), welches menschliche Verhaltensmuster clustert. 

Es arbeitet mit vier Typen: dominant, initiativ, stetig und gewissenhaft. Analog zu diesem System wünschte sich die Gruppe eine Umstrukturierung ihrer Arbeit, basierend auf weiteren Workshops und ergänzenden Tools. 

Zudem sprach sich das Team für die Arbeit mit Objective Key Results (OKR) aus, um einen transparenten Rahmen für die Erreichung der Ziele zu schaffen. 

3. Organisation

Die dritte Gruppe widmete sich der Fragestellung, wie Arbeitsbelastung verringert und Führung remote besser organisiert werden könne. Besonders die in Meetings verbrachte Zeit sorge für eine Überlastung, da für die eigentlichen Aufgaben so kaum noch Zeit bliebe. Als Agile Coach stellte ich ihnen deshalb eine Methode vor, mit der sie die Anzahl ihrer Meetings effektiv verringern, ohne an Austausch zu verlieren: Scrum. 

Scrum bedeutet, den Fokus auf die richtigen, ergebnisorientierten Meetings zu legen und auf weitere zu verzichten. Das schafft eine Entlastung, denn so kann das Team vom Reden ins Tun kommen. Aber bedeuten weniger Meetings auch weniger Gespräche? Auf keinen Fall, denn der zwischenmenschliche Austausch ist für den Erfolg der Arbeit unglaublich wichtig. Die digitale Imitation eines Kaffeeküchen-Gesprächs sorgt deshalb dafür, das Team-Gefühl aufrecht zu erhalten und ermöglicht die Zufälligkeit von Ideen. Mein Tipp dafür: digitale Co-Working-Sessions – sprich: Per Video-Call einfach nebeneinander her arbeiten als säße man am Nachbarschreibtisch. 

Diese Gruppe brachte zudem das Thema Micromanagement auf den Tisch. Richtiges Delegieren will gelernt sein – und damit tun sich besonders junge Führungskräfte häufig schwer. Sie nehmen sich einer Problemstellung oft selbst an, statt das Team zur eigenen Lösungsfindung zu befähigen. Das raubt Kapazitäten und hindert den Lernprozess der Einzelnen. 

Zwar sah die ursprüngliche Planung beider Coronability-Workshops recht ähnlich aus, aufgrund der Beteiligung der Teams und der Offenheit der Führungskräfte, entwickelte sich eine unerwartete Dynamik. Auf die Bedürfnisse aller Beteiligten einzugehen, führte zu einer fluiden Agenda – und letztendlich zu besseren Ergebnissen.